In seinem vor Jahren erschienenen Roman "Zeit ohne Glocken" erzählt Horst Bienek, wie in einer oberschlesischen Stadt die Glocken der katholischen Kirche beschlagnahmt und abtransportiert wurden. Unter den Bewohnern des Städtchens ging sofort das Gerücht um: Von nun an haben wir es mit einer gottlosen Zeit zu tun. "Zeit ohne Glocken" bedeutete "Zeit, in der die Gewissen schweigen", "Zeit ohne Feste wie Ostern und Weihnachten". Diese Geschichte zeigt etwas auf von der Symbolik der Glocken: Sie erinnern an die Berufung und Bestimmung des Menschen, die sich auch heute nicht im Geldverdienen und Geldausgeben erschöpfen kann und auch nicht unterzubringen ist in Schlagworten wie "Leben und Leben-Lassen".
In Zeiten, in denen die Luft nicht selten erfüllt ist von Verkehrslärm, Pressluftgehämmer und Lautsprechergedröhn, rufen auch heute Glocken zum Aufschauen, zum Hinhören, zur Stille, zur Besinnung und nicht zuletzt zur gemeinschaftlichen Versammlung vor Gott.
Die Glocken von St. Peter tragen besondere Namen und Inschriften, und für jede übernehmen Einzelpersonen oder Vereine bzw. Institutionen eine Patenschaft.
Die Namen, Paten und Inschriften der heutigen fünf Glocken von St. Peter Ensheim sind:
Name | Gewicht | Ton | Pate/Patin | Inschrift |
---|---|---|---|---|
St. Michael | 2300 kg | c´ | Heimkehrerverband Ensheim | St. Michael, beschütz mit deinem Schild und Schwert die Kirch’, den Hirten und die Herd! Zum Gedächtnis der Gefallenen und Vermissten |
Christ-König | 1400 kg | es´ | Helmut Breier | Jesus Christus, König und Mittelpunkt unserer Familien, segne unsere Familien |
St. Petrus | 1000 kg | f´ | Gemeinde Ensheim | Du bist Petrus der Fels und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen |
Mutter Gottes | 700 kg | g´ | Mütterverein | O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria |
St. Barbara | 500 kg | b´ | Pensionärverein | Die Mutter ruft in bangen Nöten: St. Barbara hilf! Wer meiner Hilfe im Leben gedenkt, dem sei ein gutes Sterben geschenkt |
Der ehemalige Orgelsachverständige der Diözese Speyer, Domkapellmeister Hermann Strauß, bescheinigte dem Geläut ein "vornehmes und weiches Klangkolorit" und nennt das Zusammenklingen mit den Glocken der Protestantischen Kirche "eindrucksvoll, ja prachtvoll".
In Ensheim kannte man wohl schon seit dem Mittelalter Glocken und Glockengeläut. Die Quellen hierzu sind zwar spärlich. Doch in einer Reihe von Berichten wie auch vom Jahr 1577 werden zwei Glocken erwähnt (so im Archiv de St. Avold). Oder: In der Zeit, da die Reformation Ensheim einholte, verbot z.B. Pfarrer Steinbach das Glockenläuten bei Gewitter. Auch zu den jährlichen Versammlungen, den Jahrgedingen, hat man die Bevölkerung "durch gewöhnliches Läuten der Glocken", einberufen. Die Pfarrer wurden "mit Glockengeläut" in ihr Amt eingeführt.
Im Jahr 1609 übernimmt das Kloster Wadgassen vertraglich die "Versorgung der Kirche und der Glocken", während es Sache der Gemeinde sei, sich um Pfarrhaus und den Pfarrer zu kümmern.
Zur besonderen Ausstattung der neuen Kirche vom Jahr 1755 hat die Kirchengemeinde eine neue Glocke erworben. Über deren Größe und Verbleib sind keine Unterlagen erhalten. Bis heute erhalten geblieben ist jedoch zwei historische Glocken: - die 1784 gegossene und von der Wadgasser Abtei finanzierte Glocke St. Maria, 500 kg, a’. Ihr Platz ist heute, zusammen mit der 1856 gegossenen St. Petrus-Glocke, 650 kg, g’, der kleine Turm (Dachreiter) über der Kirche. Im Jahr 1881 wurde dieses barocke Geläut ergänzt durch eine kleine, 310 kg schwere Glocke im Ton b’. Sie war ein Geschenk von Kommerzienrat Eduard Adt.
Im Jahr 1913 schließlich, nachdem durch den Bau großen Turm erstmals genügend Platz für mehrere Glocken geschaffen war kam auch eine vierte und vorerst größte Glocke hinzu. Sie stammte aus der Glockengießerei Hamm, Frankenthal, und war 1067,5 kg schwer. Mit einer Sondererlaubnis seitens der Diözese vom 19. Juni 1913 durfte Pfarrer Kaiser diese Glocke selber benedizieren, - "ipsa aqua benedicta non excepta", wie es hieß (d. h. mit Wasser, das hierzu eigens geweiht und nicht - etwa aus dem Weihwasserbecken - entnommen ist).
Leider durfte dieses Geläut nur wenige Jahre zusammen erklingen. Wie die der anderen Kirchen, so mussten auch die Ensheimer Glocken "einrücken", wie es in einem Zeitungsbericht heißt. Aufgrund einer "Anordnung, betr. Eigentumsübertragung auf den Militärfiskus" vom 24 Mai 1917 wurden sie zur "Sicherung von Kriegsbedarf" vom Turm geholt und abtransportiert. In dem besagten Zeitungsbericht ist zu lesen: "Am 25 Juli, nach dem Engel des Herrn abends 9 Uhr, werden unsere Glocken noch einmal zusammen ihre Stimmen Gott zu Ehren erschallen lassen; am 26. Juli werden sie vom Turm herabsteigen und werden dann hinausziehen in den Kampf, um dem Vaterlande zum Sieg zu verhelfen."
Im September 1918 hatte "das Vaterland" auch noch weiteren "Appetit" auf die St.-Petrus-Glocke . Doch sie kam nicht weiter als bis nach St. Ingbert, wo sie das Kriegsende erlebte und bald darauf wieder nach Ensheim zurückkehren durfte.
Trotz enormer wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den ersten Nachkriegsjahren konnte die Kirchengemeinde 1924 zum Ersatz für die beiden "Kriegsopfer" zwei neue Glocken bei Firma Mabilon & Co, Saarburg, bestellen: - eine St. Peter-Glocke im Ton e mit 1050 kg und eine Mutter-Gottes-Glocke im Ton h mit 300 kg Gewicht. Bischof Dr. Ludwig Sebastian nahm deren Weihe am 4. Januar 1925 vor. Lehrer Adolf Wilhelm, damals Organist und Dirigent, schrieb dazu: "Seit dem 4.1.25 besitzen wir wieder ein Geläut, das dem alten in der Vorkriegszeit in keiner Weise nachsteht, es vielmehr an imponierender Wirkung und Klangschönheit übertreffen dürfte...".
Gerade 17 Jahre später sollten alle Glocken wiederum für den Krieg "geopfert" werden. In der entsprechenden Kanzelverkündigung wurde jedoch eingeräumt, dass "bis auf weiteres eine läutefähige kirchliche Glocke zu verbleiben" habe. So durfte die älteste und 1784 gegossene Glocke aus der Wadgasser Zeit hier bleiben. Die anderen wurden zum Einschmelzen weggebracht. Die Petrus-Glocke vom Jahr 1856 reiste jedoch bis nach Hamburg - und überlebte dort den Krieg. Im Januar 1948 kam sie per Schiff nach Ludwigshafen zurück und wurde von dort nach Ensheim gebracht. Bereits einen Tag später verkündete sie selber vom Turm ihre Rückkehr.
Das letzte Kapitel der Ensheimer Glockengeschichte muss wohl von einem neuen fünfstimmigen Geläute für St. Peter und einem dreistimmigen Geläute für die protestantische Nachbargemeinde aus der Glockengießerei Otto, Saarlouis, erzählen.
In einem feierlichen Rahmen wurden am 6. November 1955 die acht Glocken in der Firma abgeholt und nach Ensheim überführt. Unter der Überschrift "Symbol für Harmonie beider Kirchen" war am darauf folgenden Tag in der Zeitung zu lesen: "Der letzte Sonntag, an dem die acht neuen Glocken für das katholische und evangelische Gotteshaus im Ort ihren Einzug hielten, wird für alle Ensheimer unvergesslich bleiben. Selten nahm die Bevölkerung an einem Dorfereignis einen solchen Anteil, wie an diesem Nachmittag, als die lange Motorrad- und Autokolonne, aus Richtung Gassenmühle kommend, unter dem Läuten der alten Kirchenglocken in Ensheim einfuhr. Alle Häuser waren mit Fahnen und Blumen festlich geschmückt, und die Straßen, durch die der imposante Zug seinen Weg nahm, waren von freudig gestimmten Menschen umsäumt. Zur Begrüßung hatten sich auf dem Schulhof der Musik- und Gesangverein sowie der Kirchenchor eingefunden, die mit passenden Vorträgen der Feierstunde ein würdiges Gepräge gaben".
Am 13. November 1955 feierte die katholische Pfarrgemeinde Glockenweihe mit dem Speyerer Domkapitular Alfred Scheller. Die beiden historischen Glocken sind seither wieder dorthin zurückgekehrt, wo einmal ihr ursprünglicher Platz war: - auf den kleinen Turm (Dachreiter) der Kirche.
Quelle: Festschrift 250 Jahre St.Peter